Verrat

Sie kennt es schon seit ihrer Kindheit, dieses Gefühl, dass Urvertrauen gebrochen wird

dass sie hintergangen wird, verlassen, ausgenutzt

und dabei immer mit dem Gefühl zurück bleibt, nichts wert zu sein.

Dass andere ihre Versprechen nicht einlösen oder gar brechen

Verrat.

Es ist so natürlich für sie geworden, dass sie gar nicht mehr darüber nachdenkt, sondern es hinnimmt

es angenommen hat als eine Grundeigenschaft der Menschen. Vertrauen wird irgendwann missbraucht

ihre Liebe und Zuneigung, ihr Geben ausgenutzt oder konsumiert

und irgendwann rammt ihr das Gegenüber seine Tatsachen wie ein Messer direkt ins weit offene Herz.

Seit ihrer Kindheit ist sie trainiert zu geben, ihre Liebe zu geben

weil ihre Familie ihre Liebe gebraucht hat, anstatt sie in Liebe großzuziehen.

Und doch gibt sie es immer wieder, dieses Urvertrauen, weil sie einfach so gerne an das Konzept des Vertrauens glauben möchte

weil sie an die Menschen glauben möchte und an das Gute in ihnen.

Sie wird des Gebens und Schenkens nicht müde, weil sie von Kindesbeinen an gesehen hat,

wie Menschen werden, wenn sie nur nehmen und geizig jedes Geben kalkulieren und bilanzieren.

Geben kann man nicht aufrechnen, es muss von Herzen kommen

Tut es das nicht, wird es ein kalter Handel. Ein Handel, der die Menschen nach und nach von innen vergiftet. Die Augen werden so leer, die Gesichter starr, diese Menschen brauchen den Konsum, immer mehr, immer teurer, verlieren sich im Habenwollen

anstatt in der Liebe und im Mitgefühl.

Sie hat gelernt, dass beim Geben bis zu ihrer Erschöpfung, aber vor allem darüber hinaus ein Wunder passiert. Denn ihre Quelle versiegt nicht, sondern sprudelt viel stärker und größer, je mehr sie gibt. Nur wenn sie geizt und wenig gibt, bedroht innere Dürre ihre Quelle.

Sie hat gelernt, dass es die sind, die leiden, sich im Habenwollen und Aufrechnen verlieren und sie hat versucht, mit Hingabe und Geben ein Zeichen zu setzen.

Doch immer wieder ereilt es sie. Ihre Hingabe wird ausgenutzt oder ihr Vertrauen missbraucht, nur weil das Gegenüber feige ist, Vorteile nicht aufgeben möchte, Angst hat, andere zu verletzen oder einmal ganz zu sich zu stehen.

Sie steht da. Schaut zu. Blickt in die Augen des Gegenübers. Sieht Wolken der Unklarheit, Ängste und Abhängigkeiten und sie sieht sich selbst.

Denn auch sie hat verraten. War feige oder hat versucht, mit der Brechstange Dinge zu bekommen, die sie unbedingt haben wollte.

Auch sie hat Geheimnisse ausgeplaudert und Freunde verraten. Manchmal durch Nichtstun, manchmal durch Schweigen, manchmal mit Plaudern. Auch sie hat Vertrauen missbraucht, weil sie mit den Situationen nicht umgehen konnte oder weil sie für sie moralisch Verwerfliches mitteilen musste anstatt es für sich zu behalten. Verrat ist ihr wohlbekannt, denn sie weiß, niemand ist frei davon.

Verrat an anderen lässt sich in Ordnung bringen. Zeit heilt viele Wunden, achtsame Worte auch. Sie konnte immer verzeihen, den anderen weiterlieben, weil sie weiß, dass niemand unfehlbar ist. Sie konnte ihr Urvertrauen wieder reparieren.

Doch erst jetzt, dieses letzte Mal, als sie wieder das Messer in der Brust spürte, dieses Gefühl, das zu hören, was am meisten wehtut, konnte sie ein Muster erkennen.

Es war nicht der andere, der Verräter. Er war bloß ein Spiegel, um ihr zu zeigen, wie sehr sie sich selbst verrät. Wie sehr sie sich selbst übergeht und oftmals das blanke Messer gegen sich selbst richtet, nur weil sie Angst hat, zu artikulieren, was sie sich wünscht. Weil sie Angst hat, zu sich zu stehen und dabei ihre Bedürfnisse zurücksteckt hinter denen der Anderen. Wenn sie in Strukturen bleibt, nur weil sie Angst hat vor dem Neuen, was kommen könnte. Dieses letzte Mal riss der Schleier vor ihren Augen und sie konnte sehen: Verrat tritt nur dann in ihr Leben, wenn sie sich selbst verrät.

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Kategorie Spirituelle Lyrik

Das bin ich: Schamane und Heiler sind große Worte für Qualitäten, die jeder in sich trägt. Keines davon erscheint mir ein passender Begriff oder gar ein passendes Bild, denn eigentlich ist der Gedanke vermessen, dass man andere heilen kann. Was ich aber kann, ist dir Raum geben für deine Themen, dir passende Fragen stellen und Prozesse in Gang bringen. Das ist, was ich tue, egal, ob ich als Buchautorin, Kräuterfrau oder Tierheilpraktikerin arbeite oder einfach nur mit dir einen Tee trinke. Mehr über mich findet Ihr auf auf meinem Reiseblog www.indigo-blau.de

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